Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.  Daniel 9,18

 

Liebe Leserinnen und Leser!

Der Glaube bringt mir immer ein Du. Das ist geradezu sein Markenkern. Eine allein vertrocknet leicht in ihrem Glauben. Einer allein kann sich seinen windschiefen Glauben nicht wiederaufrichten.

Das „Wir“ steht am Anfang. Nicht vereinzelt, nicht dieses abgrundtief hoffnungslose „hat eben jeder sein eigenes Päckchen zu tragen“, sondern eine tragfähige Wunschgemeinschaft. Beten heißt wünschen und füreinander hoffen. Für uns und alle, die nicht wunschlos glücklich sein können.

Mich berührt ein Brief Luthers an seinen Freund Justus Jonas am 23. September 1542. Als Martin Luthers Tochter Magdalene mit 13 Jahren stirbt, bittet der verzweifelte Vater seinen Freund für ihn und seine Frau Katharina jetzt stellvertretend zu beten.

Er schreibt: „Ich glaube, die Nachricht wird zu Dir gedrungen sein, dass meine liebste Tochter Magdalene wiedergeboren ist zu dem ewigen Reich Christi. Obwohl ich und meine Frau nur fröhlich Dank sagen sollten für einen so glücklichen Hingang und seliges Ende, so ist doch die Macht der natürlichen Liebe so groß, dass wir es ohne Schluchzen und Seufzen des Herzens, ja ohne große Abtötung nicht vermögen. Es haften nämlich tief im Herzen das Aussehen, die Worte und Gebärden der lebenden und der sterbenden überaus gehorsamen und ehrerbietigen Tochter, so dass selbst Christi Tod (und was ist das Sterben aller Menschen im Vergleich damit?) dies nicht ganz hinwegnehmen kann, wie es sein sollte. Sage Du daher Gott an unserer Statt Dank! Sie hatte – wie Du weißt – einen sanften und angenehmen und allen lieben Charakter. Gelobt sei der Herr Jesus Christus, der sie berufen, erwählt und herrlich gemacht hat. In Gott, dem Vater allen Trostes und aller Barmherzigkeit, gehab Dich wohl mit allen Deinen Angehörigen, Amen.“

Luther steht am Bett der geliebten Tochter genau wie alle anderen Menschen in solchem Kummer mit leeren Händen da. Und darum ist es wichtig ein Netzwerk von Menschen zu haben, die für uns beten. Vertraute Personen, die uns auffangen, die freundschaftlich mitgehen und für uns Worte finden, wenn wir keine mehr haben.

Wir liegen vor dir mit unserem Gebet. Wer betet, ist sich nicht selbst genug. Wer betet, hat eine Ahnung davon, dass das Heil der Welt nicht nur aus ihm heraus erblüht. Wer betet, sucht nach Vergewisserung. Wer betet, weiß, dass seine Einsicht begrenzt, sein Wissen Stückwerk, seine Meinung nicht Gottes Wort in anderer Gestalt ist.

Wer betet, sendet eine Botschaft an Gott und eine Botschaft über sich selbst: Allein kann ich nicht weiter. Bleibt jedoch bezogen auf ein anderes Du. Wer betet, sieht davon ab, immer und per se recht zu haben. Wer betet, macht deutlich, dass er eine Richtungsweisung, Hilfe nötig hat, also hilfsbedürftig ist.

Wir liegen vor dir, Gott, mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Leistung, Einsicht, Gedankenklarheit allein – sondern auf Gottes große Barmherzigkeit. Auf seine Liebe, die sich heruntergeliebt hat in unser Leben hinein. Und bleiben eingeladen, Barmherzigkeitsgefäße zu sein, barmherzig mit uns und mit den Menschen neben uns.

Es grüßt Sie / Euch ganz herzlich

Ihr / Euer Pastor Michael Hüstebeck