Angedacht
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Siehe, ich mache alles neu. Offenbarung 21, 5 - Jahreslosung 2026
Liebe Leserinnen und Leser! „Alles muss raus!“ – so steht es in großen Buchstaben in Schaufenstern, wenn alte Ware weg soll. Was alt ist, macht Platz für Neues. Und ein wenig so fühlt sich auch der Jahreswechsel an: Ein Jahr klingt aus – ein neues steht bevor. Wir blicken zurück, halten inne und fragen: Was bleibt? Was darf gehen? Was soll werden? Auch dieser Gemeindebrief steht auf einer Schwelle: Er begleitet uns durch Advent und Weihnachten, den Jahreswechsel und bis in die helleren Tage hinein. Eine Zeit zwischen Dunkelheit und Licht, zwischen Abschied und Aufbruch. Genau hier hinein spricht Gott: „Siehe, ich mache alles neu.“ Das ist kein Appell, sondern eine Verheißung. Nicht: Du musst dich ändern, sondern: Ich werde dich verwandeln. Das Neue beginnt nicht mit unserer Leistung, sondern mit Gottes Handeln. Darum dürfen wir getrost sagen: Alles muss raus – nicht, weil wir es schaffen müssten, sondern weil Gott Raum schaffen will für Neues: für Vertrauen, Hoffnung, Liebe. Der Jahresanfang fällt mitten in den Winter. Noch ist vieles grau und ruhig, doch unter der Oberfläche regt sich Leben. Gottes Neues wächst – unsichtbar, aber gewiss. „Alles neu macht der Mai“, heißt es im alten Volkslied. Wenn die Sonne wärmer wird, die Erde aufatmet und neues Grün hervorbricht, scheint die Welt verwandelt. Der Mai steht für das Aufblühen nach der Kälte, für das Wiederkommen des Lebens im Kreislauf der Zeiten. Aber dieses „neu“ des Mai ist ein wieder neu – es bringt hervor, was schon da war, und lässt Altes in neuer Farbe leuchten. Ganz anders klingt das göttliche „Siehe, ich mache alles neu.“ Hier geht es nicht um Wiederholung, sondern um Verwandlung. Nicht um einen neuen Anfang im Alten, sondern um eine neue Wirklichkeit jenseits des Alten. Gott schafft kein besseres Wieder, sondern etwas völlig anderes – heil, ganz, unvergänglich. Und doch gehört beides zusammen. Denn das, was der Mai in der Schöpfung zeigt, ist ein Abbild dessen, was Gott in seinem Reich vollenden wird. Im Frühling spüren wir, was Gott verspricht: Neues Leben, das nicht mehr vergeht. Aber damit Neues wachsen kann, muss Altes weichen. Wie die Natur erst loslässt – das alte Laub, das, was abgestorben ist – so braucht auch unser Leben Momente, in denen wir sagen: Alles muss raus. Raus mit dem, was uns beschwert, mit der Angst, die uns lähmt, mit der Bitterkeit, die uns den Blick trübt. Nur so wird Raum frei für das, was Gott schenken will. Denn Gottes Neuwerden geschieht nicht ohne das Loslassen des Alten. Im Glauben bedeutet das: Wir lassen los, damit Gott verwandeln kann. So wird das Volkslied zum Gleichnis der Verheißung: „Alles neu macht der Mai“ – aber nur, weil Gott sagt: „Siehe, ich mache alles neu.“ Der eine zeigt das Werden, der andere schenkt das Bleiben. Der Mai blüht – und vergeht. Gottes Neues blüht – und bleibt. Das Bild zur Jahreslosung zeigt diese Bewegung: Ein goldenes Kreuz zieht sich durch eine Spirale aus Blau und Grün, hin zu einem leuchtenden Mittelpunkt. Da ist Bewegung, Tiefe, Licht. Vielleicht zeigt uns das: Das Alte wird herausgewirbelt – Dunkles, Enge, Schwere. Und zugleich zieht Gottes Licht uns in seine Mitte, dorthin, wo alles Leben seinen Ursprung hat. Das Kreuz ist dabei kein Hindernis, sondern Weg und Mitte. So malt das Bild, was die Offenbarung verheißt: Gott macht alles neu – von innen heraus, aus der Dunkelheit ins Licht. Der Seher Johannes beschreibt: „Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde… Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ Das ist keine ferne Zukunftsmusik, sondern eine Zusage, die schon jetzt gilt. Alles, was uns trennt und beschwert, wird aufgehoben in Gottes Liebe. Und wenn wir am Übergang zwischen Alt und Neu stehen, dann dürfen wir spüren: Gottes Zeit ist größer als unser Kalender – sein Werk geschieht mitten im Wechsel der Zeiten. Jesus sagt: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Gottes Neues beginnt also schon hier. Überall, wo Menschen sich vergeben, wo Trost geteilt und Hoffnung gelebt wird, da leuchtet das Licht des neuen Himmels auf. Darum gilt: Alles muss raus – die Angst, die uns festhält, die Bitterkeit, die uns trennt, der Zweifel, der uns lähmt. Gott selbst schafft Neues in uns. Und in Christus gilt schon heute: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2. Kor 5,17) Wir leben mitten im Übergang – zwischen Winter und Frühling, zwischen der alten und der neuen Welt Gottes. Aber die Richtung steht fest: Das Schönste kommt noch – und doch ist es schon da, mitten unter uns.
In diesem Sinne, wünsche ich allen ein frohes und vor allem gesegnetes Weihnachtsfest und ein ebensolches Neues Jahr 2026. Michael Hüstebeck, Pfarrer |

